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Wie im Jahr 1955 die Autobahn (A 7) gebaut wurde
(Quelle: Auszug / Originaltext aus der Schulchronik)
Das wichtigste Ereignis dieser Zeit war gewiß der Bau der Autobahn Hamburg – Hannover, den die Kinder in allen Abschnitten
verfolgen konnten.
Bei Schulwanderungen waren uns schon immer die verlassen an einsamen Wald- oder Feldwegen stehenden Brücken und die
Brückenpfeiler an der Egestorfer Straße aufgefallen. Das waren die Zeugen einer vor dem II. Weltkrieg begonnenen und dann im
Stich gelassenen unvollendeten Arbeit.
07.09.1955. Seit 1938 in der Linienführung schon festgelegt und durch zahlreiche Brücken und Waldschneisen bereits in die
Landschaft eingeschnitten, soll im Laufe der nächsten 3 Jahre die neue Autobahn die Hafenstadt Hamburg mit der
niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover verbinden. Sie zweigt zwischen Maschen und Hittfeld von der Autobahn Hamburg
– Bremen ab und stößt zunächst in südlicher Richtung vor. Das ist die Stelle, an der später die Autobahn-Auf- und Abfahrt Egestorf
angelegt wurde. Die alten Buchen mit ihrem mächtigen Wurzelwerk mußten fallen, gewaltige Findlinge beseitigt werden. Tagelang
waren die Detonationen, die von den Sprengungen herrührten, im Dorfe zu hören.
Das ganze Bauvorhaben ist eingeteilt worden, die einzelnen Arbeiten wurden getrennt nach „Erdlosen“, „Decklosen“, Brücken und
Durchlässen vergeben.
Erdlos 1 war die Strecke von Thieshope bis Garlstorf = 7 km,
Erdlos 2 reichte von Garlstorf bis Egestorf = 5,5 km und
Erdlos 3 von Egestorf bis Bispingen.
Man bediente sich der modernsten technischen Hilfsmittel, um die umfangreichen Erd- und Tiefbauarbeiten termingerecht zu
erledigen.
Der bei den ersten Vorbereitungen zum Bau der Autobahn vor 17 Jahren abgehobene Boden muß erneut um- und zurückgesetzt
werden, da die Bahn verbreitert wird. Aus diesem Grunde müssen auch angefangene Brücken verändert werden. Hatte man
damals das Baufeld von Waldbestand und sonstigem Bewuchs freigemacht, so hat sich in der Zwischenzeit durch Selbstbesamung
und Anflug auf dem größten Teil der Baustrecke wieder gemischter Baum- bzw. Waldbestand mit teilweise über armdicken
Stämmen gebildet.
Dank der weitgehenden Technisierung gehen heute die Arbeiten mit wesentlich weniger menschlichen Hilfskräften beträchtlich
schneller vorwärts als damals.
Die Kinder haben Gelegenheit zu beobachten, wie sich die stählernen Greifer der gefräßigen Bagger in den Boden wühlen.
Kettenfahrzeuge und gummibereifte Transportmaschinen sind in dauerndem Einsatz. Ganze Berge werden versetzt, mächtige
Dämme in Talkesseln aufgeschüttet.
21.10.1956. Bis ins Dorf hinein dringt seit Monaten der Arbeitslärm der zahlreichen Maschinen. Die Tagesleistung bei der
Bodenbewegung beträgt 4500 m³. In einer schmucken Baracke in der Nähe des alten Friedhofes in Egestorf ist die Bauleitung
untergebracht. Es werden ungefähr 30 Techniker im Innen- und Außendienst beschäftigt.
02.01.1957. Beim neuzeitlichen Tiefbau gibt es keinen Stillstand mehr durch Frost. So gehen trotz Schnee und Eis die Bauarbeiten
an der Autobahn weiter. Mächtige Schürfkübelraupen ungeahnter Pferdestärken schieben einfach den gefrorenen Boden ab und
legen die darunter befindliche freinkrümelige Erdschicht frei, die dann von großen Lastkraftwagen abgefahren wird. In Tag- und
Nachtschichten wird gearbeitet.
Zu Beginn des neuen Jahres haben sich die Bagger und Raupen schon bis auf 300 m an die Straße Egestorf – Lübberstedt
herangewühlt. Besonders interessant ist die Herstellung der Betondecke. Zwei riesige Vermörtelungsmaschinen werden zunächst
eingesetzt, die den Untergrund mit Teer vermörteln und auf diese Weise stabilisieren und frostsicher machen.
An der Autobahnbrücke zwischen Garlstorf und Nindorf ist eine riesige Beton-Fabrikations-Anlage entstanden. Diese Anlage
arbeitet vollautomatisch. Von einer Schaltstelle aus, die wie ein Eisenbahnstellwerk funktioniert, werden die Kiessorten aus den 5
Silos in den benötigten und berechneten Mengen auf die Waagen ausgelassen. Von den Waagen laufen die Mischungen auf einem
Förderband zu einem Vorratssilo. Unter dem richtigen Zusatz von Wasser und Zement entsteht hier ein Betonbrei. Lastwagen
bringen diese „Speisung“ zur Baustelle.
Die Betonbahn besteht aus einer 15 cm starken Unterlage, auf der die 7 cm starke Oberbeton-Verschleißschicht liegt. Den
Schwanz der „rollenden Baustelle“ bilden Sonnendächer von 150 m Länge und schließlich ein Schutzteppich aus Jute, unter dem
die neue Straße genau 28 Tage „abbinden“ muß, bevor sie fahrbar ist. Täglich werden 500 – 600 m Fahrbahn gegossen und 1000
m³ Beton für den Bau der Fahnbahndecke benötigt.
Während die Erd- und Betonierungsarbeiten noch in vollem Gange sind, bemüht sich die Bauleitung, auch die zahlreichen
Parkplätze an beiden Seiten der Autobahn termingerecht fertig zu stellen. Außerdem sind die Landschaftsgärtner am Werk. Sie
sorgen dafür, daß Technik und Natur nicht als feindliche Brüder nebeneinander erscheinen, wenn der mächtige Verkehr durch die
Heide brausen wird. Den Bau der Autobahnbrücke an der Straße Egestorf – Lübberstedt können wir ebenfalls bis zur
Fertigstellung verfolgen.
Juni 1958. Die Autobahnstrecke bis Egestorf ist so gut wie fertig. Fugen werden nur noch mit Teer ausgegossen und kleine
Unebenheiten mit einer Art Hobel beseitigt. Seit Sonntag, dem 29.06.1958 kann man von Hamburg bis zur Abfahrt Egestorf –
Lübberstedt auf der Autobahn durchfahren.
23.09.1958. Mit Fahnen, Girlanden, Wappen und Willkommensgrüßen ist die neue Autobahnstrecke zwischen Horster Dreieck und
Berkhof bei Hannover an den Auffahrten geschmückt, als Bundesverkehrsminister Dr. Seebohm heute die Autobahn Hamburg –
Hannover dem Verkehr übergibt.
Die neue Autobahnstrecke ist rund 100 km lang und erforderte einen Kostenaufwand von 180 Millionen DM.
Sie wurde auf den Namen „Heide-Autobahn“ getauft, weil sie sich in sanften Kurven und Steigungen durch die Lüneburger Heide
schlängelt. Sie ist durch 12 Ab- und Auffahrten mit dem sie umgebenden Verkehrsnetz verbunden und verfügt über zahlreiche
Park- und Rastplätze, für die landschaftlich besonders reizvolle Gegenden ausgewählt wurden.
Für das Verhalten auf der Autobahn hat die Verkehrspolizei neue Leitsätze herausgegeben. Darin heißt es u.a. „Die Autobahnen
sind dem Kraftverkehr vorbehalten. Ihre Benutzung ist an eine Mindestgeschwindigkeit von 40 km in der Stunde gebunden.
Mopeds und andere Kraftfahrzeuge, die nicht schneller als 40 km in der Stunde fahren können, dürfen die Autobahn daher nicht
benutzen. Die Beachtung der Wildwechsel-Zeichen wird den Kraftfahrern besonders ans Herz gelegt. Das Halten auf der Fahrbahn
der Autobahn ist nicht erlaubt. Wer eine Pause machen will, muß einen gekennzeichneten Parkplatz benutzen.“
18.11.1958. Kaum ist die neue Strecke dem Verkehr übergeben, so wird von einem großen Wildsterben auf der Autobahn
berichtet. Täglich finden Revierförster auf der Fahrbahn die Überreste zermalmter Tierkörper. Darüber hinaus hört man immer
wieder von Unfällen, die durch das Zusammenprallen von Fahrzeugen mit Wild verursacht wurden.
1959. Der Verkehr auf der Autobahn nimmt immer mehr zu. Besonders an den Feiertagen reißt die Kolonne der über die
Egestorfer Brücke dahin rasenden Autos nicht ab.
Pfingsten 1960. Gewaltig ist der Verkehr auf der Autobahn. Die Bundeswehr hat 4 Hubschrauber bereitgestellt, die von Bispingen
als Operationsbasis aus an der Autobahn eingesetzt werden können. Drei der Hubschrauber sind Kranken-Transportmaschinen,
einvierter ist zur ständigen Überwachung des Verkehrs bestimmt und fliegt ständig an der Autobahn entlang. Wir können die
Maschine während der Feiertage bei ihren Kontrollflügen beobachten.